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Diffus belichtete Fragmente der Erinnerung

Das Spätmittelalter kennt – gleichsam komplementär zur üppigen Entfaltung von Gold und kontrastreicher Farbigkeit auf den Flügelaltären – die Grisaille-Technik: monochrome, in feinen Tonabstufungen meist grau in grau (frz. gris=grau) ausgeführte Malerei. Die alten Niederländer aus Brügge, Gent und Antwerpen waren Meister auf diesem Gebiet. Die Grisaille-Malerei fügte den erzählfreudigen und szenisch präsenten Bildern ein Moment der Distanz hinzu. Der »lebendigen« Figurenkomposition mit ihren Fensterblick-Effekten (man sieht auf die gerahmte Bildszene wie durch ein Fenster hindurch in ein Stück andere Welt) wurde mit der Farbe auch ein Stück ihrer Illusion von »Wirklichkeit« entzogen; betont wurde das Gemachte, das künstlich und virtuos Erzeugte, der effige-Charakter des Dargestellten also – vergleichbar der Wirkung von Schwarzweiß-Fotografien in unserer Gegenwart der massenhaft verbreiteten Farbfotoabzüge. Das Grau-in-Grau hat zudem etwas Kontemplatives. Alle sinnliche Ablenkung durch die Vielzahl der Farben und Oberflächentexturen ist getilgt; das Gezeigte erscheint vielmehr wie ein Schemen, ein inneres Vorstellungsbild, von dem Geistigkeit und Gefasstheit ausgeht. Gerade darin ist es der Zeichnung, dem disegno bzw. progetto näher als der Malerei.
 
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